Im Land der vielen Ikonen
97% der Griechen gehören der griechisch-orthodoxen Kirche an. Griechentum und Orthodoxie sind seit jeher eng miteinander verbunden. Unter byzantinischer Herrschaft sahen sich die Griechen als Bewohner einer Welt, die den Zustand der Vollkommenheit erreicht hatte, einer Abspaltung des Himmelreiches. Nach der Eroberung der Osmanen (1453) wurden die Griechen verfolgt, nicht als Volk, sondern als Anhänger des orthodoxen Glaubens. Innerhalb der Kirche kristallisierte sich bis zur Unabhängigkeit im Jahre 1832 das Nationalgefühl der Griechen heraus.
Die griechische Kirche leitet ihre Lehre und ihr Kirchenverständnis von der christlichen Urgemeinde in Jerusalem ab. Der orthodoxe Glaube zeichnet sich aus durch eine tiefe Spiritualität und eine mystische Gottesverehrung. Gott wird als unbegreifbar und unfassbar erachtet. Nicht alle Griechen glauben an Gott, doch der fest in der Kultur des Landes verwurzelte orthodoxe Glaube beeinflusst dennoch ihr Denken und Handeln.
In griechisch-orthodoxen Gotteshäusern gibt es zahlreiche Ikonen zu bewundern. Sehr oft wird missverstanden, warum die Ikonen so verehrt werden. Diese schönen, stilisierten Bilder werden keineswegs wie Götzen angebetet – ein Vorwurf, der auf die Bilderstürmer des 7. und 8. Jahrhunderts zurückgeht. Im Versuch, die Religion von dieser Selbstvergötterung zu reinigen, verunstalteten sie im ganzen byzantinischen Reich Tausende von Ikonen. Daher sind unbeschädigte Ikonen aus der Zeit vor 800 eine Seltenheit. Schließlich setzte sich in der Kirche die Auffassung durch, eine Ikone stelle das Symbol der ausgebildeten Figur der/ des Heiligen dar. Man begriff sie als Medium, durch das die betreffende heilige Person verehrt werden kann. Die Ikonen griechischer Kirchen sind eine frühe Form der Beseelung der Materie: eine Möglichkeit, denen, die nicht lesen können, den orthodoxen Glauben in Bildern zu erklären.
Die Ikonenverehrung ist nicht auf den Kirchenraum beschränkt. Fast jedes griechische Haus besitzt ein „Ikonostasis“ (Ikonenstand, meist an der Wand hängend), dessen Bildnisse für die Familie als bedeutend erachtet werden. Die meisten Griechen sind auf den Namen eines Heiligen getauft und anstelle der Geburtstage werden die Namenstage gefeiert.